BRAUN Paxette Reflex

Oft hört man heutzutage die Meinung, der Untergang der deutschen Kameraindustrie wäre durch das Festhalten am Konzept der Zentral-verschluß-Reflexkameras verursacht worden.

Zugegeben, dieses Prinzip hat sich als Irrweg herausgestellt, der allerdings nicht nur von deutschen Firmen, sondern auch von so bekannten Japanern wie Mamiya, Topcon und Ricoh verfolgt worden war. Es waren typische Kameras aus der zweiten Hälfte der 50er Jahre. Das war die Zeit, als die neuen Elektronenblitzgeräte auch für Amateure interessant wurden. Mit den Schlitzverschlüssen waren diese Blitzgeräte bei 1/25 bis höchstens 1/50 sec. zu synchronisieren - bei Zentralverschlüssen gab es da keinerlei Beschränkungen!

Und was waren die Nachteile?

Zum einen die Einschränkung bei den Wechselobjektiven, die vor den Verschluß gesetzt wurden und ihr Lichtbündel durch die enge Öffnung zwängen mußten. Aber wer hatte schon das Geld, sich zum teuren Gehäuse mit Normaloptik noch Zusatzoptiken anzuschaffen? Nach der Statistik wurden zu einem Gehäuse 1.7 Objektive gekauft – einschließlich des 50mm-Objektivs! Für Nahaufnahmen verwendete man Vorsatzlinsen, die den Vorteil des Reflexbildes nutzten, aber keine Belichtungsverlängerung erforderten.

Der zweite Nachteil war die mechanische Kompliziertheit dieses Kameratyps. Nehmen wir einmal an, Sie haben gerade den Film transportiert und den Verschluß gespannt. Um das berühmte "strahlendhelle und brillante" Sucherbild zu erzeugen, müssen der Verschluß und die Blende geöffnet sein. Dahinter lenkt der Spiegel das Bild nach oben zur Mattscheibe. Der Film wird durch eine Schutzklappe vor Streulicht geschützt.

Das klingt kompliziert? Dann überlegen Sie `mal, was alles im Bruchteil einer Sekunde passieren muß, wenn Sie jetzt auf den Auslöser drücken: 

  • Der Verschluß schließt sich. 
  • Die Blende geht auf den vorgewählten Wert.
  • Der Spiegel klappt nach oben und verdeckt die Mattscheibe. 
  • Die Schutzklappe gibt den Film frei. 
  • Der Verschluß belichtet entsprechend der vorgewählten Zeit.

So kompliziert dieser Funktionsablauf war, so teuer waren auch diese Kameras! Bestimmt nichts für Otto Normalverbraucher, sondern "high-tech" Produkte für ambitionierte Kundschaft mit wohlgefülltem Portemonnaie. Aus diesem Grund erscheint es mir auch etwas zu einfach, den Niedergang eines ganzen Industriezweigs an einem Produkt festzumachen.

Das Bild zeigt ein eher unbekanntes Modell dieser Zentralverschluß - SLR - Kameras: eine Paxette Reflex aus dem Carl Braun Kamerawerk in Nürnberg. Es gab sie in verschiedenen Ausführungen mit und ohne Wechseloptik zwischen DM 380.- (Festobjektiv Cassarit) und DM 588.- (Wechseloptik Steinhart Quinon). Als Verschluß fand ein Compur Verwendung. Ein Selen-Belichtungsmesser ist jeweils eingebaut, aber nur bei den "automatic" - Modellen mit dem Objektiv gekuppelt. Die angebotene Palette der Wechselobjektive war mit 35mm und 135mm eher bescheiden.

Wenn Sie sich entschieden haben, etwa DM 200.- auszugeben, um eine Paxette Reflex in Ihre Sammlung stellen zu können, sollten Sie sehr sorgfältig die Funktionen überprüfen. 40 Jahre, nachdem sie auf den Markt kamen, sind diese Kameras - und das gilt auch für die entsprechenden Konkurrenten der Paxette Reflex - chronisch unzuverlässig und oft defekt. Und eine Reparatur ist - wenn Sie überhaupt einen Mechaniker finden, der sich an so ein Beispiel von "technical overkill" herantraut - so teuer, daß sie kaum lohnt.

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