Union Cases - Kunstwerke aus Thermoplastik


Bild 1: Geometrisches Motiv. Hersteller S. Peck.
Größe 8,4 x 9,4cm. Krainik Nr. 224


Bild 2: Agrarmotiv mit Maiskolben, Ähren, Pflug und Amboß.
Größe 10,2 x 12,4 cm. Hersteller Scovill Mfg., Krainik Nr. 26

Vorbemerkung

Die Tatsache, dass die Oberfläche von Daguerreotypien extrem empfindlich ist, machte einen Schutz unabdingbar. Es entstand eine Art "Sandwich aus drei Teilen. Die Daguerreotypie selbst, dann ein attraktiv geprägtes, goldfarbenes Blech und zum Schluss eine Glasscheibe. Das Messingblech war als Abstandshalter erforderlich, damit es nicht zu einem direkten Kontakt zwischen der Oberfläche der Daguerreotypie und dem Glas kommen konnte. Durch den "Abstandhalter" wurde als wichtiger Nebeneffekt die Attraktivität und Wertigkeit der Daguerreotypie deutlich gesteigert.

Weiterhin musste, um die Oxidation der versilberten Kupferplatte zu verhindern, das Glas und die Platte so luftdicht wie möglich verklebt werden. War die Verklebung unzureichend dicht, kam es über die Zeit zu Verfärbungen auf der Schichtseite. Ein Problem, das man heutzutage bei vielen Dagos beobachten kann.

Dieses "Sandwich" benötigte einen "Aufenthaltsort". Das war der Grund, weshalb Daguerreotypien und später auch Ambrotypien in der Mehrzahl in Etuis verkauft wurden. Die Etuis bestanden aus Holz und wurden, um die Wertigkeit zu erhöhen, mit dünnem Leder oder Papier beklebt.

Eine neue Ära - Union Cases

Der amerikanische Daguerreotypist Samuel Peck begann als Erster Etuis aus "Kunststoff" zu produzieren (Bild 1).
Der Vertrieb erfolgte über Scovill Manufacturing (Mfg.). Scovill Mfg. produzierte Daguerreotypie-Platten (später Marktführer) und war auch ein bekannter Lieferant von photographischem Zubehör und Holzkameras.

Die Etuis wurden aus einer Schellack-/Holzstaubmischung hergestellt. Die Masse wurde nach Bedarf eingefärbt, in Formen eingebracht und unter Druck gepresst. Die Formen unterschieden sich durch Größe und Design
(Bild 2).

Der Begriff "Union Cases" resultiert aus der Tatsache, das unterschiedliche Materialen "vereinigt" wurden (englisch Vereinigung = Union). Peck versäumte es, sich den Begriff "Union Case" schützen zu lassen. In der Folge gab es viele Hersteller die diesen Namen verwendeten.

Bild 3: Innenansicht des Etuis Krainik 224 mit Herstellerhinweis

Die neuartige Methode der Etuifertigung hatte gleich mehrere Vorteile:

" Vielfalt des Angebotes in Form und Design, da die Formen variiert werden konnten und der Phantasie der "Künstler" kaum Grenzen gesetzt waren. Ganz im Gegensatz zu den einfachen Holzetuis, wo man nur die Prägung des Leders/Papiers, bzw. des innenliegenden Plüschs kannte

" Einfacher Produktionsprozess, Mengenerhöhung eher problemlos, Kostenreduzierung

" Die hohe Wertigkeit der Etuis und die Vielfalt der Formen und Designs verhalfen den Fotografen zu mehr Geschäft

Die große Zeit der Union Cases begann mit Peck's Produktionsstart um 1852 und endete mit dem Übergang auf Ferrotypien und die Papierfotografie etwa um 1870.

"Union Cases" vs. "Guttapercha"

Spricht man über "Union Cases" ( thermoplastischer Kunststoff) fällt sehr oft auch der Begriff "Guttapercha". Hierbei handelt es sich aber um ein rein pflanzliches Ausgangsprodukt. (Milchsaft einer asiatischen Baumart).

Bild 4: Geometrisches Motiv. Hersteller S. Peck and Halvorson.
Größe 13 x 16 cm. Krainik Nr. 16

 
Sammlerhinweise

Das wohl beste Buch: "Union Case"s von Clifford und Michele Krainik with Carl Walvoord (ISBN 0-931838-12-6), das auch für diesen Artikel als Quelle diente.

Es wird die Geschichte dieser attraktiven "Verpackung" beschrieben, weiterhin gibt es Hinweise auf verschiedene Hersteller und den wichtigen Katalogteil mit 773 Abbildungen. Der Preisteil (1988) erscheint mir eher überholt (Preise zu niedrig). Wichtig zu wissen, die Preise gelten nur für das "Case", also ohne Dago oder Ambro.

Gerade in den USA findet man viele "Union Cases" ohne Inhalt. Grund: Es treffen zwei Sammlergruppen aufeinander (nur Case- und Photographica-Sammler). Der Inhalt wurde/wird separat vermarktet. Das ist sehr bedauerlich, da die geschichtlichen Zusammenhänge zerstört werden.

Während sich die Hersteller der mit Leder oder papierbezogenen Holzetuis kaum identifizieren lassen, sind die Hersteller der meisten "Union Cases" auch ohne das Krainik-Buch leicht zuzuordnen. In vielen Etuis findet man unter dem Foto einen Zettel mit den Herstellerangaben (Bild 3). Auch wenn diese Zettel austauschbar waren, ist die Sicherheit der richtigen Zuordnung eher groß.

Bei "Holzetuis" sind im Normalfall nur mehr oder minder große Abnutzungsspuren zu sehen. Der Thermoplastische Kunststoff der "Union Cases" ist leider gegen Stoß oder Fall sehr empfindlich. Bruchspuren sind deshalb häufig zu finden. Vor allen Dingen sind die Ecken betroffen. Ein besonders belasteter Bereich ist auch die Umgebung der Scharniere, die schnell ausbrechen.

Der Reiz der "Union-Cases" liegt einmal in der Vielfalt der Formen (z. B. rund, oval oder achteckig), aber vor allen Dingen in der künstlerischen Gestaltung der Außenflächen. Häufig findet man geometrische Formen, aber auch sehr attraktive Darstellungen von Personen, Blumen, Tieren oder Gebäuden.


Text/Scans: Günter Gymnich
Bild 5: (links) Inhalt Union Case
Krainik Nr. 16: Großformatige
Daguerreotypie mit 8 Damen
 
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