Praktica PL electronic

   

 

 
Manchmal ist die Zeit einfach reif.

Dann tauchen an verschiedenen Stellen der Welt ähnliche, revolutionäre Gedanken auf und in verschiedenen Konstruktionsbüros arbeitet man an ähnlichen, revolutionären Ideen.

So war das auch Ende der 60er Jahre, und die Revolution hatte einen Namen: Elektronik.
Und so kam es, daß zwischen 1968 und 1972 mehrere Spiegelreflexkameras mit elektronisch gesteuerten Verschlüssen auf den Markt kamen. Die Zeit der surrenden Räderhemmwerke ging zu Ende.
Die teuerste war die Contarex S electronic, angekündigt schon für Herbst 1967, aber nicht fertig geworden und deshalb erst im Herbst 1968 in den Läden. Die häßlichste dürfte die Edixa electronica TL gewesen sein, die mit ihrer Arbeitsblenden-Messung und M42 – Anschluß 1971 verkauft wurde. Am weitesten bis in unsere Läden hatte es die Yashica TL electro X (1969), zusammen mit der erfolgreichsten, der Pentax Spotmatic ES (1972).

Und dann war da noch eine, und die kam aus Dresden. Und vermutlich war sie als erste auf dem Markt, denn produziert wurde sie ab März 1968: Die Praktica PL electronic. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie die Praktica nova, von der sie auch abgeleitet wurde. Aber der Tuchschlitzverschluß wird nicht mechanisch gesteuert, sondern bildet seine Zeiten zwischen 30 sec und 1/500 sec mit Hilfe eines elektronischen Schaltkreises.
Mit nur 3399 produzierten Stück ist die Praktica PL electronic ein seltener Vogel. Aber als Massenprodukt war diese Kamera sowieso nicht geeignet: wegen des hohen Stromverbrauchs benötigt sie eine große und recht teure 4.5 V – Batterie, aber ein Belichtungsmesser ist nicht eingebaut. Da hieß es wieder: „Sonne lacht, Blende 8“. Der eigentliche Zweck dieser Praktica war es, „daß sich das Fertigungspersonal für künftige Aufgaben mit der Elektronik vertraut macht.“ Schon bald konnten die Elektroniker beim VEB Pentacon feststellen: „Die elektronische Steuerung eines Verschlusses gestattet es, technische Leistungen zu erzielen, die mittels mechanischer Steuerung nur unter großen Aufwendungen möglich sind. (z.B. Verlängerung der geometrischen Zeitenreihe bis 30s).“

Ursprünglich war vorgesehen, „die Praktica electronic mit einem teilgekuppelten Belichtungsmesser (Außenmessung mit Fotoelement) auszurüsten.“ In der Erkenntniss, daß die Zukunft einer Belichtungsautomatik gehört, wurde „auf eine Weiterbearbeitung dieser Variante verzichtet“.
Bei der Entwicklung (begonnen Anfang 1966) hatten die Dresdner Ingenieure erhebliche Mühe, weil photographische Kameras mit elektronischer Belichtungssteuerung durch Patente der Compur GmbH umfassend geschützt waren. Zwar wurden diesbezügliche Verhandlungen seit 1964 geführt, es konnte aber keine Übereinstimmung mit dem Compurwerk über möglicherweise bestehende Kollisionen erzielt werden. Andererseits wurden aber auch mehrere eigene Patente angemeldet.
Etwa DM 900.- sollte Ihnen eine Praktica PL electronic heute wert sein.
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