Musterkoffer Rollei A 110

 
Kodak hatte 1963 das Pak-Film-System (126) eingeführt. Für den Verbraucher war plötzlich das Filmeinlegen vollkommen problemlos geworden, da sich der Film in einer geschlossenen Kassette befand und lediglich von einer Seite auf die andere Seite transportiert wurde. Damit entfiel auch die lästige Rückspulung. Die Qualität des 28 x 28 mm großen Negativs war akzeptabel. Problem war die Schärfe, da die Kassette geschlossen war und der Film nicht, wie z. B. bei Kleinbild, vor einer Filmandruckplatte lief.

In der Geschichte der Filmherstellung wurden die Filmformate für den Massenmarkt, abhängig vom Qualitätsfortschritt (spezifisch Feinkörnigkeit), immer kleiner. Das hatte für den Verbraucher den Vorteil der handlicheren Kamera. Industrie und Handel profitierte von den Neukäufen (es war bekannt, dass der Filmverbauch -und damit der Bilderverkauf- bei neuen Kameras signifikant höher lag). Ein weiterer Vorteil für die Industrie: Nachdem die Neuanlagen für die Filmkonfektionierung amortisiert waren, verbesserte sich meistens die Profitsituation, weil von den kleineren Formaten pro Quadratmeter mehr Filme konfektioniert wurden.

Es war also nur folgerichtig, dass Kodak, der damalige Weltmarktführer, 1972 zusammen mit einem deutlich verbesserten Kodacolor-Film (Körnigkeit/Farbe) das Pocket-System (110, Format 13 x 17 mm) einführte.

Während Kodak und Agfa als Film-, Chemie- und Papierhersteller in erster Linie Kameras für den Massenmarkt verkauften, gab es auch Firmen die hochwertige Kameras entwickelten und verkauften. Vielleicht nicht allgemein bekannt: Auch von Leitz gab es einen 110 Prototyp.


Die wohl schönste und aufwendigste Kamera für das System 110 baute Rollei mit der A 110. Konstrukteur war Heinz Waaske, der auch die berühmte Rollei 35 konstruierte.



In meiner Sammlung befindet sich ein Vertreterkoffer, der wohl auch genutzt wurde um den sehr hohen Preis (Prochnow: 8/1975: 548 DM und 8/1980: 328 DM zu rechtfertigen. Lt. der dem Koffer beiliegenden Karte bestand die Kamera aus 360 Einzelteilen. Für die Gesamtfertigung waren demnach etwa 2500 Arbeitsgänge erforderlich. Kaum vorstellbar, dass diese Kamera mit Gewinn zu verkaufen war.



Von 09/74 bis 06/78 wurden in Braunschweig 124 Tsd. und in Singapur von 08/78 bis 09/1981 weitere 72,2 Tsd. schwarze A 110 gebaut. Von diesem Kameratyp wurde auch eine Sonderserie ?Rollei Germany? Gold gefertigt (max. 50 Exemplare).

Es gab den Kameratyp auch als E 110 in Alu hell (46 Tsd. nur in Deutschland gebaut), mit Aufdruck "Bitter" (Autohersteller,160 Stück in verschiedene Farben) und als A 110 mit Elektroniksymbol (goldmetallic, 5 Tsd.) für den Otto-Versand.



Weniger bekannt dürfte sein, daß Rollei außerhalb Deutschlands in einigen Ländern unter dem Namen "Pocketline 100, 200 und 300" drei preiswerte und einfache Pocketkameras vermarktete. Diese Kameras wurden nicht von Rollei hergestellt.

Produktionszahlen/Jahreszahlen: Prochnow "Rollei Report 3, II Auflage"
 
Günter Gymnich
www.club-daguerre.de